15 ausgewachsene Männer sitzen um einen Tisch.
Keine Aufsicht weit und breit. Keine ordnende, eingreifende Vertretung der Staatsmacht…
Keiner, der im Notfall schlichtend, schützend, bestrafend eingreift…
Das Besondere an dieser Runde: diese Männer sind Schwerverbrecher – sie eint nur, dass alle mindestens EIN schweres Verbrechen begangen haben.
Es sitzen locker 100 Jahre Haft in dieser Runde: Mörder, Betrüger, Zuhälter, Bankräuber, Körperverletzer, Drogendealer, Brandstifter, Steuerhinterzieher…
Im „normalen“ Leben wären sie sich vermutlich nie begegnet.
Gebrochene Lebensläufe.
Abgestürzte Glücksritter.
Der Ex-Politiker verabredet sich mit dem Ex-Zuhälter zur Schachpartie, der Ex-Polizist fachsimpelt mit dem Ex-Bankräuber über den neuen Einkaufsplan, der Ex-Brandstifter wägt die Vor- und Nachteile des neuen TV Programms mit dem Ex-Notar ab. Der tendenziell politisch rechtsorientierte Körperverletzer bespricht die Probleme des neuen Tabakautomaten mit dem türkischen Ehrenmörder.
Ich lehne mich zurück und betrachte die entspannte Runde.
Hier wird geflachst, da ein lautes Lachen, respektvoll – ungeschriebenes Gesetz: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gelassen ungeniert.“
Mann, wer erlebt das?
Bin nicht im Kino.
Nirgendwo zockt Al Pacino.
Reality-Check.
Momente, die man nie vergisst.
Gedanken – bittersüßes Privileg.
Dass diese „sympathischen Herren“ unfassbares Leid verursacht und Opfer hinterlassen haben, ist in diesem Moment nicht greifbar, egal, unfassbar…
…irgendwie…schön…dieser Augenblick.
Wir leben längst im Archiv unserer Tragödien.
Diese Tafelrunde ist offen für Jedermann.
Jeder hat es in sich.
Bei dem Einen schlummert das Tier eben fester und verborgener als beim Anderen.
Der scharfe Polizist hat nicht damit gerechnet, dass er mal ausrastet.
Der Versicherungsfachangestellte mit Frau, Eigenheim und den wohlgeratenen Kindern auch nicht.
„Das Böse“ wird nicht geboren.
„Es“ wird gemacht.
Wer macht Dich?
Was ist mit Dir?
Wer ist der Nächste?
Wen machst Du?
Keine Frage, älter als die Zeit.
Absolute Sicherheit – verführerische Chimäre.
©Peter William Meyer 2011
Unterdrückte graue Schatten
16 Bars Project
assoverlag, Oberhausen